Galantes Paar

Geheimnisvolle Requisiten, ein sittsam flirtendes Paar im Vordergrund und ein gleichzeitig ausschweifend kokettierendes Paar im Hintergrund. Theatralisch wird hier das Thema der Galanterie in Szene gesetzt.

 

Galantes Paar

um 1621
Öl auf Leinwand, 63 x 49 cm
Schloss Pommersfelden

Allgemeines zum Bild:

Die Schindung des Marsyas gemalt in Öl auf Kupfer, misst 49,5 x 37 cm und befindet sich Von Johann Liss‘ Gemälde Galantes Paar existieren zwei Fassungen. Das hier beschriebene befindet sich im Schloss Pommersfelden. Es ist wahrscheinlich 1621 in Venedig entstanden, misst 63 x 49 cm und wurde auf Leinwand gemalt.¹ Die zweite Version des Gemäldes befindet sich seit 1929 in der Ludwig-Roselius-Sammlung in Bremen, ist ebenfalls eine Öl auf Leinwand-Malerei und misst 72,5 x 54,5 cm.  Wir sehen den Ausschnitt eines überwiegend dunkel gestalteten Raumes mit fünf Figuren. In der Mitte des Geschehens befindet sich ein elegantes Figurenpaar. Darauf, dass sie die zentralen Charaktere des Bildes sind, verweist ihre Position, ihre Größe und das auf sie gerichtete Licht. Scheinbar in ein Gespräch vertieft tauschen sie wertschätzende Blicke und Gesten aus. Der Kavalier richtet seine rechte Hand auf seine Brust, seine Linke hält er von sich aus zur Seite leicht gestreckt auf Hüfthöhe. Es erweckt den Anschein, als biete er der Umschwärmten gerade einen Tanz an oder trage ihr Liebesverse vor und wohlwollend nehme die Dame das Gesprochene an, hält sie doch ihre rechte Handfläche dem Kavalier entgegen.

Die dritte Figur, die vom Licht erfasst wird, befindet sich rechts im Bild hinter dem Paar und müsste deshalb eigentlich im Schatten sitzen. Den Kopf nach hinten geworfen, erscheint aus dem Dunklen das verzückte Gesicht einer Frauenfigur und deren tief ausgeschnittenes Dekolleté. Ihr Gegenüber, ein im Schatten kaum erkennbarer Mann, scheint der Grund für ihre Verzückung zu sein. Dieser wendet sich von der Frauenfigur ab und schaut zu Boden. Vielleicht geht sein Blick auf die dort liegende Spielkarte? Links im hinteren Bildbereich sitzt ein Lautenspieler, so vom Betrachtenden abgewandt, dass man sein Gesicht nicht erkennt. Sein unterer Körper verschwindet in der Schwärze des Bodens, nur seine weiße Halskrause macht auf ihn aufmerksam. Dann bildet sich auch die Silhouette seines Oberkörpers auf der helleren Wand und seine Hand auf der Laute ab. Bis auf den Kronleuchter in der Mitte, den schwarzen Vorhang in der rechten oberen Ecke, die Spielkarte rechts unten und die Geige auf den Notenblättern ist der Raum schmucklos.

Details

Vergleichswerke

Johann Liss, Lustige Gesellschaft im Freien, Federzeichnung, 191 x 273 mm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett

Klessmann schreibt, diese Entwurfszeichnung stehe in enger Verbindung, stilistisch und auch zeitlich, zu Liss‘ Gemälde Galantes Paar. Darauf würde sowohl die ähnliche Haltung der beiden Hauptfiguren wie auch deren Kleidung hinweisen. Zudem sei diese Zeichnung geprägt von Liss‘ venezianischen Eindrücken. Deshalb sei dieser Entwurf aus stilistischen Gründen und in die zeitliche Nähe zu dem Pommersfelder Gemälde zu stellen. Nach dieser Entwurfszeichnung habe es ebenfalls ein Gemälde in Querformat gegeben, das jedoch verloren gegangen sei.  Steinbart sieht für diese Komposition Willem Buytewech Darstellungsart als Vorbild. So sei die hier verwendete schichtenmäßige Staffelung des Figürlichen, die Isolierung der Gruppen und ein rascher Horizontalabschluss ein typisches Schema von Buytewech. Zudem sei dieser auch mit stehenden und sitzenden Paaren vertraut. Liss‘ stehendes Paar aus der Entwurfszeichnung scheine hier herausgelöst und in das Gemälde Galantes Paar übertragen worden.


Willem Buytewech, Vornehmer Liebeshandel, ca. 1616-1620, Öl auf Leinwand, 56,3 x 70,5cm, Amsterdam, Rijksmuseum

Willem Buytewechs Gemälde Vornehmer Liebeshandel wird sowohl von Klessmann, wie auch von Steinbart als ein Vorbild für Liss‘ Gemälde Galantes Paar gesehen. Klessmann vermutet, Liss hätte sich für das Pommersfelder Gemälde vor allem durch das stehende Paar inspirieren lassen, zudem sieht er in der farbigen Ausführung Parallelen. Er vermutet Buytewechs Gemälde sei um 1616/17 entstanden, während Liss‘ Aufenthalt in Haarlem.¹⁰ Es werden aber auch deutliche Unterschiede sichtbar. Hier wird ein Wohnraum mit Dekoration gezeigt, hell und deutlich wiedergegeben. Links befindet sich ein sitzendes Paar. Während die männliche Figur aus dem Bild schaut, versucht dessen Partnerin schüchtern seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Aufmerksamkeit des sitzenden Hundes ist ihr zumindest gewiss. Auch das stehende Paar blickt aus dem Bild heraus, als wenn es für den Maler posieren würde. Die Darstellung wirkt zwar gestellt, aber durch den fehlenden Vorhang und die starren Haltungen der Figuren erscheint sie weniger theatralisch. Man könnte ein Gruppenporträt dahinter vermuten. Hier geht Liss weiter und bringt seine Figuren in Bewegung.

Johann Liss, Der Narr als Kuppler, Radierung, 1600-1629, 17, 1 cm x 21,2 cm

Diese Radierung wird meistens in Verbindung zu Liss‘ Gemälde Atelier einer Malerin genannt. Sowohl diese Radierung wie auch das genannte Gemälde weisen sowohl kompositorisch, stilistisch wie auch modisch große Ähnlichkeiten mit dem Gemälde Galantes Paar auf. Vor allem der schmucklose Raum, der Vorhang, die verschiedenen Blickrichtungen und der Lautenspieler sind wiederkehrende Motive. Beim Lautenspieler lässt sich zudem der Abwendungsprozess beobachten. Während der Lautenspieler im Atelier einer Malerin den Körper und den Kopf noch den Betrachtenden zugewandt hat , wendet er in der Radierung Der Narr als Kuppler sowohl den Körper wie den Kopf halb ins Bildinnere, um dann im Gemälde Galantes Paar die Drehung so zu vollenden, dass sein Gesicht verborgen bleibt. 

Exkurs

Versionsverortung und zeitlicher Ablauf

Für eine zuverlässige Beurteilung der zeitlichen Abfolge der beiden Versionen fehlten die erforderlichen Untersuchungen.¹¹ Kurt Steinbart sah hier die „Sphäre venezianischer Kurtisanen und ihrer Verehrer“¹²  dargestellt und ordnet die Darstellungen nach Venedig und den Sittenbildern zu. Klessmann sah in der Darstellung ein bevorzugtes Thema der Haarlemer Schule mit einer moralisierenden Wirkung, entnommen aus dem „Milieu der erotischen Unterhaltung“.¹³ Bestätigung fanden beide in Joachim von Sandrarts Schriften. Dieser kannte Liss persönlich, sah vielleicht diese oder eine ähnliche Darstellung und beschrieb sie mit den Worten: „Eben also machte er etlicher Verliebten Conversation und Gespräche auf moderne Weiß/ und das Amorose Venetianische Frauenzimmer mit Music, Chartenspiel/ spatzierend/ und sonst allerley Begebenheiten.“¹⁴ Vor allem die enge Beziehung zur Haarlemer Kunst, ließ Klessmann anfänglich für eine Entstehung um 1617, also Liss‘ Zeit in Haarlem, plädieren,¹⁵ doch die Wahl des Hochformats und die lockere Malweise auf rauer Leinwand würden auf einen venezianischen Einfluss hinweisen.¹

Autorin: Ivanka Slovic

Endnoten
¹ Klessmann 1999, S. 166
² Ebd., S. 166
³ https://www.duden.de/rechtschreibung/galant#Bedeutung-a (08.05.2021)
⁴ Wranek 2012, S. 154-165
Ebd., S. 68

Wranke 2012, S. 172-180
Klessmann 1999, S. 166
Steinbart 1956, S. 23-24
Ebd., S. 24-25
¹⁰ Klessmann 1999, S. 166
¹¹ Klessmann 1975, S. 68

¹² Klessmann 1999, S. 157
¹³ Klessmann 1975, S. 66
¹ http://ta.sandrart.net/de/text/540?item=auto17938#auto17938 (17.05.2021)
¹⁵ Klessmann 1975, S. 67
¹⁶  Klessmann 1999, S. 166-67

Bibliographie

KLESSMANN, Rüdiger, Johann Liss, Ausstellung unter dem Protektorat der Präsidentin des Deutschen Bundestages Frau Annemarie Renger und des International Council of Museums (ICOM); [Augsburg, im Rathaus vom 2. August – 2. November 1975; Johann Liss Exhibition in the Cleveland Museum of Art, 17. Dezember 1975 – 7. März 1976]. Augsburg 1975

KLESSMANN, Rüdiger, Johann Liss. Eine Monographie mit kritischem Oeuvrekatalog. Doornspijk, 1999

STEINBART, Kurt, Johann Liss. Wien 1946.

STEINBART, Kurt, Johann Liss, Der Maler aus Holstein. Berlin 1940

WRANEK, Kathrin, Der gesehene Blick, Äußere und innere Schau als Thema in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Dissertation, in Schriften zur Kunstgeschichte, Band 34, Hamburg, 2012

https://www.duden.de/rechtschreibung/galant#Bedeutung-a (08.05.2021)

http://ta.sandrart.net/de/text/540?item=auto17938#auto17938 (17.05.2021)